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Neue Regierung in Italien als Chance für den Euro?

 

Zürich, 23. Juni 2018

Dr. Felix Regli

Der Euro leidet seit seiner Gründung an Konstruktionsfehlern. Ein Hauptmanko ist das Fehlen eines automatischen fiskalischen Stabilisators. Doch eine Fiskalunion ist bewusst politisch nicht erwünscht, zumindest von einzelnen Staaten.

Die Staaten der Euro-Zone haben sich seit der Gründung des Euro wirtschaftlich sehr unterschiedlich entwickelt. Neben Griechenland ist Italien das einzige Land im Euro-Raum bei dem das Bruttoinlandprodukt pro Kopf seit Einführung der Gemeinschaftswährung im Jahr 1999 nicht gestiegen ist; das heisst, kein Wachstum in fast zwei Jahrzehnten.

2018©EleniRegli

Ohne massive Investitionen in die Infrastruktur ist langfristig kaum Wachstum zu erwarten. Wegen der hohen Schulden (132% des BIP) und mangelnder Wettbewerbsfähigkeit steckt Italien in einem Dilemma. Vor dem Beitritt zum Euro konnte das Land seine Währung jeweils abwerten um so die Wettbewerbsfähigkeit wieder zu verbessern. Doch was ist nun zu tun?

Die neue Regierung will Reformen rückgängig machen, ein bedingungsloses Grundeinkommen einführen sowie tiefere Steuern erheben. Die Auswirkungen dieser Massnahmen werden den Staatshaushalt übermässig belasten. Sollte das Haushaltsbudget tief in die roten Zahlen gehen (und dies ist sehr wohl möglich), so dürfte es zu erneuten Spannungen im Euro-System kommen. Das könnte einerseits zu einer Erpressbarkeit der Euro-Zone führen, indem Italien aus Furcht vor einem ungeordneten Austritt aus der Gemeinschaftswährung übermässige Finanzhilfen zugestanden werden ohne dass die strukturellen Probleme gelöst werden. Andererseits sind aufgrund des italienischen Drucks Anpassungen im Euro-System denkbar. Hier denke ich namentlich an die Schaffung eines Ausstiegsrechts aus dem Euro. Dies müsste so gestaltet werden, dass ein geordnetes Verlassen ohne grosse Turbulenzen stattfinden kann. Für Italien wäre ein geordneter Austritt eine Lösung für das Land um wieder wettbewerbsfähig zu werden.

Obwohl EZB-Präsident Mario Draghi kürzlich mitteilte, dass der Euro irreversibel sei, und der neue italienische Ministerpräsident Conte verkündete, dass Italien keine Absicht habe aus dem Euro auszutreten, muss dem widersprochen werden. Zwar ist aus heutiger Sicht ein Austritt aus dem Euro rechtlich nicht zulässig, doch faktisch ist ein Austritt eines oder mehrerer Länder durchaus denkbar. Schliesslich hat die EU keine Verfügungsgewalt falls ein EU-Land sogar die Europäische Union verlassen will (siehe Grossbritannien). Ein Verlassen des Euro durch Italien, ohne dass vorher eine Austrittsregelung beschlossen würde hätte zwar eine verheerende Auswirkung auf den Euro, könnte aber letztlich nicht verhindert werden.

Zwar beurteile ich die Chance für die Schaffung eines geordneten Austrittsverfahrens nicht als hoch ein, obwohl dies die beste Lösung sowohl für das Überleben des Euros sowie für Italien bei einem allfälligen Austritt ist. Ein Weiterwursteln ohne klare Lösung der gravierenden Probleme ist jedoch wahrscheinlicher. Der Euro in seiner jetzigen Form ohne wichtige Reformen wird langfristig nicht überleben.